Das "eigentliche" Self-Titled Album von Motörhead

Veröffentlicht am 5. November 2024 um 23:27

Gustls Plattenkiste #1: Motörhead "Bastards"

In der Diskographie von Motörhead muss man auf keinen Fall lange auf Klassiker warten. "Ace of Spades", "Iron Fist", "Bomber", und "Killed by Death" möchte sicher keiner aus der Rock- und Metal-Geschichte missen. Und dennoch habe ich mir für den ersten Eintrag in der Rubrik "Gustls Plattenkiste" keinen dieser Klassiker ausgesucht. Warum "Bastards" für mich nach wie vor das beste Motörhead Album ist, wie es zu diesem Album kam und wie es danach weiterging, möchte ich hier genau aufarbeiten. Doch zunächst:

Was ist Gustls Plattenkiste?

In dieser neuen Rubrik nehme ich mir jedes Mal ein neues Album aus meiner Tonträger-Sammlung vor. Anders als bei den Album-Reviews wird es hier jedoch nicht nur um die einzelnen Songs gehen, sondern vielmehr um die Geschichten hinter den Alben, ihre Bedeutung und warum sie für mich zu den besten Scheiben aller Zeiten zählen. Diese Rubrik wird also ein Treffen der Superlative, und wer könnte wohl einen besseren Anfang machen, als der God of Rock ´n´ Roll persönlich: Lemmy.

Motörheads Rückbesinnung

Das Jahr 1993 beginnt mit einem Umbruch. Motörhead verließen ihr bisheriges Label Epic Records und bekamen von ZYX einen neuen Vertrag mit 500.000 Dollar Vorschuss. Allerdings lässt Lemmy in einem Interview mit Vanessa Warwick von MTV vom 28. November 1993 anmerken, dass er auch mit dieser Plattenfirma gewisse Probleme hatte. In seiner unnachahmlichen Art beschimpft er die Beschäftigten der Labels als "assholes" und "incompetent, they´re fucking hopeless". Auch wenn dies natürlich typisch Lemmy ist und er selten bis nie anders über Labels sprach lässt dies Vermuten, dass es innerhalb der Produktion des Albums Probleme gab. Auch deutete Lemmy an, dass das Label weniger an Motörheads künstlerischer Erfüllung, als vielmehr an Verkaufszahlen und Radioquoten interessiert war. Diese offensichtliche Unzufriedenheit ist sicherlich auch auf dem Album zu hören, welches wieder deutlich härter, schneller und mit weniger Melodien belastet ist als der Vorgänger "March ör Die" Dass der seichtere Sound der "March ör Die" jedoch keine kreative Entscheidung der Band war, lässt Lemmy verlauten, als er sich in einem kleinen Vortrag verliert. Rock ´n´ Roll müsse nicht auf Verkaufszahlen schauen und mache keine Kompromisse (und damit hat er völlig Recht!!!) Deshalb wurde "Bastards" ein Album, das den Lables auf den Schlips treten sollte. Vor allem Mickey Dee war an dieser Entwicklung beteiligt. Der aktuelle Scorpions-Drummer war zwar in Teilen bereits auf der "March ör Die" zu hören, war jedoch auf der "Bastards" das erste Mal am Songwriting beteiligt. Wie er in der bereits zitierten Headbangers Ball-Ausgabe bestätigte, wollte er Motörhead zu ihrem klassischen, dreckigen Sound zurückführen. Die Geschwindigkeit zog also wieder an. Das konnte jedoch nur ermöglicht werden, da Motörhead durch die Gründung ihres eigenen Labels "Motörhead Records" deutlich mehr Einfluss auf ihre iegen Musik erhielten. Mickeys technische Fähigkeiten brachten Motörhead also wieder zurück aus einer Phase der stilistischen Experimente und zurück zu einem Sound, der mit dem der Urbesetzung Kilmister, Clark und Taylor mithalten konnte. Laut Lemmy konnte dies auch nur durch Dee´s geringeres Alter ermöglicht werden. Filthy Animal wäre einfach nicht mehr schnell genug gewesen. Auch die Songs selbst sind deutlich besser ausgearbeitet. Das neue Quartett (damals noch mit Wurzel und Phil Campbell als Gitarrenduo) schrieb die Songs auf Tour. Dadurch konnten sie sich die Zeit nehmen, die die Songs benötigten. Die Strukturen und Riffs. Abgesehen vom Songwriting jedoch war die Entstehung des Albums gewohnt Motörhead-Chaotisch. Das Plattencover sollte ursprünglich ein anderes sein. Am Tag vor Druckbeginn jedoch, erreichte die Band noch ein Cover des Künstlers Joe Patagno, der vorher bereits das Cover zu "Another Perfect Day" zeichnete. Somit wurde extrem kurzfristig der gesamte Druckprozess umgeworfen und neu orientiert. 

Nicht nur das Label brachte Neuheiten, auch der Produzent wechselte. Howard Benson wurde der Mann für die Regler und wurde von der Band maßgeblich ins Songwriting eingegliedert. Dieser arbeitete bereits mit Skillet, My Chemical Romance und P.O.D. zusammen.

Auch wenn "Bastards" eine Rückbesinnung auf vergangene Zeiten ist, so brachte die Band auch musikalisch Neuerungen. Auf drängen von Howard Benson nahm Lemmy Vocal-Harmonien auf. Lemmy selbst sagte, er benötigte dabei keine Hilfe, Benson pushte ihn jedoch zu Bestleistungen. 

Selbst nach den Aufnahmen war das Album jedoch nicht ganz unproblematisch. Das deutsche Label XYZ wollte die Platte zunächst nur in Deutschland flächendeckend vertreiben um Geld zu sparen. In Japan konnte zwar etwas später noch ein Vertreiber gefunden werden. Um das Album zu promoten produzierte die Band 200 Promo-Cds. Diese wurden an verschieden Pressestellen verschickt. Das Label wollte jedoch weiterhin kosten eindämmen und weigerte sich, die von der Produktion der Cds angefallenen Kosten zu übernehmen. Noch größere Probleme gab es allerdings mit dem amerikanischen Markt. Es wurde kein passender Vertreiber gefunden, wodurch die Platte nicht veröffentlicht wurde. Sie war also nur als Importware erhältlich. Flächendeckende Vermarktung war erst 2013 endlich möglich. Dies jedoch auch nur unter dem alternativen Namen "Death or Glory" und mit abweichendem Cover-Artwork

 

Musikalisch ist das Album deutlich stringenter als andere Vorgänger. Zwar sind auch hier Balladen zu finden, diese wirken jedoch sinnvoll in den Gesamtkontext eingebaut. Der Rest des Albums ist jedoch wieder gewohnter Rock ´N´ Roll nach Motörhead-Art. Die schnelle Double-Bass von Mickey Dee, gepaart mit dem unverwechselbaren Bass-Sound, der Motörhead seit jeher prägt ergeben eine Mischung, die der Mittelphase der Band neuen Wind verleiht. Auch klingt Lemmys Stimme wieder rau und aggressiv, nicht wie auf manchen vorangegangenen Platten lasch und kraftlos. 

Mit "Born To Raise Hell" schuf Motörhead einen modernen Klassiker, der zeigte: die neue Besetzung kann das, was das Original auch konnte. Aber auch "Burner", "On your Feet or on your Knees" oder "Death or Glory" sind beinharte Kracher, die signalisieren: Motörhead lässt sich nicht ändern

 

Aber nun zur Frage, warum genau dieses Album für mich zu einem der besten der Band zählt: Die Songs sind insgesamt wahnsinnig stark und ausgearbeitet. Außerdem zeigt Motörhead hier, dass sie nach wie vor die unveränderliche Rock ´N´ Roll Band sind, als die wir sie von "Overkill" kennen. Lemmy wirkt wieder voller Energie hinterm Mikrofon und die ganze Band zeigt ihr können und beweist, dass Motörhead auch in der neuen Dekade eine verlässliche Konstante sind. Auf diesem Album wird eine neue Ära der Band eingeläutet, die im Grunde gar nichts neues ist. Aber sie zeigt uns, dass auch nach schwächeren Alben Motörhead doch immer noch Motörhead ist.

Und warum bezeichne ich das Album als das eigentliche "Self-Titled"? Jeder weiß doch schließlich, dass dies das Debut von 1977 ist. Eigentlich sollte Lemmys neue Band nach seinem Rauswurf bei Hawkwind gar nicht Motörhead heißen. Er wollte sie Bastard nennen. Doch wie so oft bekam er dadurch Probleme mit den Plattenchefs. Der neue Name sei zu obszön und läse sich nicht verkaufen. 

 

Wie ihr die neue Rubrik findet und eure Gedanken wie immer gerne in die Kommentare

Stay heavy

Gustl

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