Das Thema Sleep Token

Veröffentlicht am 17. Dezember 2024 um 01:32

Kulturphänomen Sleep Token

Wenn man sich aktuell in jeder größeren Stadt mit auch nur einer kleinen Musikszene umsieht, kann man diese Band nicht übersehen. Shirts, Pullover, Patches. Überall prangt das Logo der Briten. Und das nicht nur in der Metal Community. Auch außerhalb kann man immer mehr Menschen mit einem Fable für die neue Trendband finden. Und bricht man es einmal herunter ist das ja auch wirklich nicht verwunderlich. Das britische Quartett weiß  mit seiner Online-Präsenz umzugehen und sorgt natürlich mit ihrem Gimmick, den Masken, für Furore. 

In diesem ersten Teil dieses Essays möchte ich noch gar nicht zu sehr auf die Musik der vier Londoner Musiker eingehen, sondern vielmehr meine eigenen soziokulturellen Überlegungen loswerden. Doch Achtung: weder kann ich meine Überlegungen empirisch beweisen, noch habe ich Befragungen durchgeführt. Dieser Artikel spiegelt lediglich meine rein subjektive Meinung wider. 

Nun also zum Thema: Wie konnte eine Band mit so bedrohlichem Image einen derart einnehmenden Platz in der Kultur der jüngeren demographischen Schichten einnehmen? Zum einen muss natürlich gesagt werden, dass Jugendkultur schon immer gegen Traditionelles rebellierte. Sei es der Rock ´N´ Roll der 50er Jahre oder der Thrash Metal der 80er. Für jugendliche Kulturen und Subkulturen war es stets wichtig, ein Medium zu haben, um sich von den altbewährten Werten der Elterngeneration abzusetzen. Es musste härter, schneller oder einfach schockierender sein als alles, was man zuvor sehen konnte. Und trotzdem habe ich in den letzten Jahren das Gefühl dass diese Konstante der Rebellion immer mehr zurückgeht. Die Jugendlichen sehnen sich in Zeiten der Krisen nach mehr Sicherheit und altbewährtem (was zumindest teilweise den Welterfolg dieses "Heile-Welt-Gesülzes" einer gewissen Taylor erklären könnte, weniger furchtbar wird es dadurch trotzdem nicht). Das lässt sich tatsächlich auch belegen. Ich verweise hier auf die Donau Studie von 2023 (https://www.donauversicherung.at/die-donau/presse/news/artikel/06-november-2023/donau-jugendstudie-2023-junge-menschen-sehnen-sich-nach-sicherheit)

Dies sollte ja eigentlich dem Erfolg einer Band wie Sleep Token entgegenwirken. Das Image ist einfach zu brutal, zu hart (wir sprechen hier immer noch nicht über die Musik). Allerdings hebelt ein weiteres kulturelles Wunder unserer Zeit diesen Effekt zumindest in manchen jugendlichen Gruppen scheinbar völlig aus: die sozialen Netzwerke. Auf Tik Tok und Co wird ein immergleiches Bild vermittelt: vermarkte dich und deine Persönlichkeit, sonst bist du nichts. Steigende Followerzahlen werden immer wichtiger als tatsächliche Authentizität und Leidenschaft für ein gewisses Thema.

Das eigene Image muss einfach stimmen und am besten muss es auffällig sein um die gewünschte Reichweite zu generieren. Man gibt sich scheinbar einem Thema ganz hin und baut darauf seine gesamte Online-Präsenz auf. Dabei ist das Stichwort "scheinbar".  Und hier liegt meiner Ansicht nach der Grund für den aktuellen Hype von Sleep Token und Konsorten. Natürlich möchte ich niemandem absprechen die Musik zu mögen, ich möchte hier nicht gegen tatsächliche Fans der Musik schießen. Vielmehr möchte ich Augenmerk auf Menschen legen, die den Life- und Kleidungsstil alternativer Musikrichtungen adaptieren wollen, um sich selbst interessanter zu machen. 

Ich weiß, das hört sich jetzt schon nach der alten "Name 3 Songs" Leier an. Aber gebt mir noch ein wenig Zeit, ich möchte hier genau erläutern warum das Thema so wichtig ist. 

Besagte Menschen auf den sozialen Plattformen scheren sich nicht besonders um Musik oder das neue Album einer Band. Sie wollen Publikum anziehen und sich interessanter machen. Meiner Meinung nach ist das ein nicht zu unterschätzender Querschnitt der Sleep Token Befürworter. Zwar ist die Aussage von Band Leader Vessel, dass man sich nicht durch Genre-Grenzen einschränken lassen solle durchaus löblich, ermöglicht es aber auch Personen, die die Ästhetik zur reinen Selbstdarstellung nutzen wollen leichter in der Metal-Subkultur teilzuhaben. Natürlich möchte ich mit dieser Aussage keine neuen Metalheads ausschließen, mich jedoch klar gegen Personen stellen, die sich nicht im geringsten für die Musik interessieren.

Durch diese Menschen verkauft Sleep Token aktuell Unmengen an Merch und feiert völlig ungeahnte Erfolge. Das führt jedoch zu einem Problem, das für mich noch viel schwerer wiegt: Die Labels sehen, dass sich Sleep Token und deren Sound verkauft. 

Nun soll es also doch endlich um die Musik gehen. Sleep Token sind aus meiner Sicht völlig überproduzierte Musik. Alles ist bis ins kleinste Becken quantisiert, die Gitarren mit Plug-Ins eingespielt, sämtlicher Raum-Sound geht verloren. Die Vocals sind schwer mit Effekten belastet und die Synthesizer könnten Charakterloser nicht sein. Und dann auch noch diese unsäglichen 0815 Drum-Samples, die zu Trap-Beats gebastelt werden. Sleep Token ist eine Band, die vielleicht ihren eigenen Stil gefunden hat (trotzdem ist das Songwriting unterste Schublade. 6:35 für "The Summoning"?? Ernsthaft, in dem Song passiert nicht viel!), aber dennoch Sound-technisch so viel Geschmack und Charakter hat wie ein lauwarmes Glas Wasser. Und hier kommt das Problem: Labels sehen, dass die Konsumenten genau das wollen. Bands die also wirklich einen einzigartigen Sound haben (und sinnvolle Songstrukturen) bekommen gar nicht mehr die Chance, gehört zu werden. Es herrscht keine Entwicklung mehr. Wenn man dieses Gedankenkonstrukt jetzt in völliger Dystopie weiterspinnt, resultiert das unweigerlich in einer vollkommenen Vereinheitlichung des Metals, wie wir sie aktuell bereits in der Pop-Musik beobachten können (auch wenn dieses Genre ja nun wirklich nicht für Differenzialisierung bekannt ist). Irgendwann wird jede Band gleich klingen und klangliche unterschiede wie beispielsweise zwischen alten Overkill und Anthrax, die ja beide dem Thrash zuzuordnen sind (und die ja auch beide aus New York kommen!) wird es dann nicht mehr geben. Neue Musik würde nur noch alte Riffs und Strukturen recyclen und junge Bands trauen sich nicht, etwas neues auszuprobieren, da sie es ja sowieso nicht schaffen würden.

Diese "Mainstreamisierung" des Metal, der Subkultur und des Lebensgefühls als Mittel zur Selbstdarstellung kann also in der pessimistischsten Sichtweise eine wirkliche Gefahr für Innovation in der Musikkultur darstellen. Jeder will nur noch klingen wie Bands, die bereits zuvor kamen.

Bin ich vielleicht nicht offen genug für Neues? Gut möglich. Doch sobald Metal in Verbindung mit House und Trap/Rap Elementen tritt und sich auch der Produktionsweise annähert (wer will denn so einen sterilen Sound der genau so viel Biss hat wie ein toter Igel???) müsste jeder Metalhead, ja sogar jeder Musikliebhaber, der handgemachte Musik schätzt alarmiert sein und verstehen, dass eine solche Band nicht unterstützt werden darf.

 

Eure Gedanken und Meinungen zu dem Thema lese ich gern in den Kommentaren und freue mich auf Diskussionen 

Until next Time

Stay Heavy

Gustl 

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